GIVE A BOY A GUN

mit den PH-Playmates nach dem Buch von Morton Rhue

Regie: Susanne Franz

 

26. - 30.11.2007

Aula Pädagogosche Hochschule Freiburg


Panik auf der Aulabühne der Pädagogischen Hochschule Freiburg: Gerade feierte man noch fröhlich zwischen Luftballons Schulparty, da stürmen zwei junge Männer in Strumpfmasken den Saal. Unter lautem Schreien und Kreischen fallen die ersten Schüsse. - Ein Horrorszenario, das sich seit Littleton, Erfurt oder Finnland in die Köpfe gebrannt hat, sofort einen Wust aus Assoziationen und Gefühlen auslöst. Und obgleich Waffen im Theater immer etwas albern wirken, geht die Szene doch unter die Haut. Vor allem der Amoklauf war eine große Herausforderung. Immer wieder ging darum, wie und wann man Gewalt auf der Bühne darstellen darf. Als während unsere Proben die Sache im Georg-Büchner-Gymnasium in Köln passierte, wurde die Sache noch brisanter, erzählt die Freiburger Regisseurin Susanne Franz, die in gerade mal sechs Wochen mit fünfzehn PH- Studentinnen Morton Rhue´s 2002 erschienenen Jugendroman "Give a Boy a Gun" (deutscher Titel: "Ich knall euch ab") nach der Vorlage des Theater Gegenstands in Marburg inszenierte. Das englischsprachige Stück ist ihr viertes Theaterprojekt mit Prof. Mechthild Hesse vom English Department der Pädagogischen Hochschule und dem Carl- Schurz- Haus. Eine einzigartige und 2005 mit dem Lehrpreis der PH ausgezeichnete Kooperation. Denn längst hat sich die Güte des didaktischen Konzeptes bestehend aus Lehrerfortbildung, vorbereitendem Klassenmaterial, Aufführung und Nachbereitung an den Schulen herumgesprochen: Rund tausend Jugendliche ab der 9. Klasse werden diese Woche wieder zu den seit Wochen ausverkauften Vormittagsvorführungen erwartet. Ein anspruchsvolleres Publikum gibt es nicht: Dramaturgie und Tempo müssen stimmen, die Bühnenbilder griffig sein. Ist das Englisch zu schnell oder zu komplex, schalten die meisten schnell ab, erzählt Susanne Franz. Und noch eine weitere Herausforderung gab es in diesem Jahr: Angemeldet hatten sich vierzehn Studentinnen, die jetzt fast alle männliche Jugendliche spielen. Das tun sie verblüffend gut: Allen voran Amokläufer Brendan (Anna Pfundstein), die in zerfetzten Baggy Pants und Wollmütze so kraftvoll und authentisch rüberkommt: Als einer, der sich nichts gefallen lässt und bei dem Mobbing und Ungerechtigkeit ebenso einen Krieg im Kopf auslösen wie bei seinem zarten, verschlossenen Kumpel Gary (Anne Renneisen), der tagelang depressiv im Bett liegt und sich am Ende selbst erschießt. Die Geschichte der beiden wird von hinten aufgerollt: Mit wenigen Requisiten und schnellen Schnitten verdichten sich die clipartigen Szenen zu Schlüsselsituationen, dazwischen geben Mütter, Nachbarn und Mitschüler im Scheinwerferspot ihre Statements, werden Gänsehautproduzierende Live- Raps (Reginald Anthony) gesungen und Chattexte auf die Leinwand projiziert. Dabei entwickelt sich eine hochexplosive und facettenreiche Mixtur aus Gewalt, Ausgrenzung, Überforderung und Ignoranz, über der immer die dringliche Frage des Warum schwebt. Doch trotz sprachlicher und dramaturgischer Vereinfachungen bietet diese packende Inszenierung Denkanstösse statt Antworten. Und das ist auch gut so.
Marion Klötzer / Badische Zeitung, 27. November 2007